Das hat mit Begabung und Talent zu tun, mit Neigungen und Interessen, es macht Spass, es hat Sinn, es gibt Erfüllung. Und das alles steckt tatsächlich darin. Von Aristoteles stammt eine schöne Definition, die den Kreis weiter zieht:
„Wo sich deine Gaben mit den Bedürfnissen der Welt kreuzen, da liegt deine Berufung.“
Berufung ist nicht allein „mein Ding“, sondern sie bringt erst Erfüllung, wenn sie anderen Menschen dient.
Berufung ist ein lebenslanger Wachstums- und Reifungsprozess, der auch im Alter nicht aufhört. Die Soziologin Gail Sheehy hat beobachtet, dass viele berühmte Menschen das, was sie berühmt gemacht hat, in ihrer zweiten Lebenshälfte vollbrachten. Nicht in den 30ern, wie viele glauben, sondern in den 60ern ist der Mensch zu seinen grössten Leistungen fähig. Es ist das grössere Mass an Lebens- und auch Krisenerfahrung, das ihm das ermöglicht. Leider macht uns unser Jugendlichkeitswahn blind dafür. Der Preis ist hoch: Hören wir auf zu wachsen, dann bauen wir ab.
Als lebenslanger Wachstumsprozess bleibt Berufung nicht das ganze Leben lang gleich. Sie kann überraschende Richtungswechsel und ungewohnte Herausforderungen beinhalten. So manches Mal fühlen wir uns überfordert: Berufung ist immer ein Stück grösser als das, was wir uns selbst zutrauen. Wäre sie das nicht, dann würden wir nicht wachsen. Wir brauchen also auch Menschen, die uns ermutigen oder anstupsen, den nächsten Schritt zu gehen.
Am richtigen Platz zu sein und das Richtige zu tun gibt uns Energie. Wir erleben Sinn und Erfüllung, können unsere Stärken einsetzen, sind von innen her hoch motiviert. Die Fülle fliesst, unsere Aufmerksamkeit ist auf unser Tun gerichtet, wir können Störungen leicht wegstecken. Ja, richtig: Wir können Störungen leicht wegstecken, denn unser Tun gibt uns die Energie dazu!
Die meisten Menschen machen einfach ihren Job. Er enthält etwas von Fronarbeit und etwas von Berufung. Die Energiebilanz ist einigermassen ausgewogen. Man kann es aushalten, aber man wird nicht wirklich glücklich dabei, denn es bleibt ein gutes Stück Leben ungelebt. Auch hier lohnt es sich, nach der Berufung zu suchen.
Berufung entdecken
Wenn Berufung so lebenswichtig ist: Wie entdeckt man sie denn eigentlich?
Diese und ähnliche Fragen können helfen, Berufungshinweise zu finden:
· Welche Sehnsüchte, Interessen, Leidenschaften, Vorlieben und Träume habe ich?
· Zu welchen Menschen, Themen, Dingen oder Materialien fühle ich mich hingezogen?
· Was gibt mir Energie? Was motiviert mich? Wobei vergesse ich die Zeit?
· Wo sind meine Schwächen? Welche Brüche gibt es in meinem Leben? Wo leide ich oder habe ich gelitten? Wo bin ich benachteiligt?
· Was sagen andere Menschen über mich? Was sehen sie in mir?
So paradox es klingt: Auch Schwächen, Leiden oder Benachteiligungen können Berufungshinweise geben. Aus ihnen können nämlich besondere Stärken entstehen. Hilfreich ist es, all diese Fragen mit anderen Menschen gemeinsam zu bewegen.
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